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OLG Stuttgart: Behördlicher Datenschutzverstoß nach E-Mail-Weiterleitung von Gesundheitsdaten

Gerichtsentscheidung zum Datenschutz - Gesundheitsdaten und Anspruch nach Art. 82 DSGVO

OLG Stuttgart: Behördlicher Datenschutzverstoß nach E-Mail-Weiterleitung von Gesundheitsdaten

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG) hat mit Urteil vom 17.05.2023 – Az. 4 U 193/22 – einem klagenden Pharmazeuten und Apotheker in der Berufungsinstanz Schadensersatz in Höhe von 750,00 € zugesprochen wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO durch das beklagte Land Baden-Württemberg.

Der Kläger leidet an MCS (Multiple Chemikalien-Sensivität); er reagiert insofern z.B. auf Staub und besondere Chemikalien, insbesondere von Baumaterialien. Während seiner Ausbildungsstation wurde die ihn ausbildende Apotheke umgebaut, woraufhin er beim Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie einen Antrag auf Wechsel der Ausbildungsstelle per E-Mail stellte, in welchem er auf seine Vorerkrankung hinwies. Seine Anfrage wurde von der zuständigen Sachbearbeiterin ohne Einverständnis des Klägers an den Inhaber der genannten Apotheke elektronisch weitergeleitet.

Diese Weitergabe von Gesundheitsdaten sah der Apotheker als rechtswidrig an und verklagte das Land Baden-Württemberg als verantwortliche Körperschaft auf Zahlung von 5.500,00 €. Während das Landgericht Stuttgart (Az. 7 O 74/22) einen Datenschutzverstoß nicht bejahte, entschied das OLG Stuttgart (a.a.O.) im Berufungsverfahren, dass dieses behördliche Verhalten einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 DSGVO darstellt. Der Kläger habe zwar keinen Ersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 GG, jedoch einen datenschutzrechtlichen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO.

Nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung von Gesundheitsdaten untersagt, sofern nicht eine Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO vorliegt. Diese Gesundheitsdaten lagen hier in Form der Informationen über die gesundheitlichen Unverträglichkeiten in besagter E-Mail vor. Auch ist ein Verschulden des beklagten Landes als Rechtsträger der handelnden Behörde, welches sich das Verschulden der handelnden Mitarbeiterin des Regierungspräsidiums zurechnen lassen muss, gegeben. Dabei stuft der OLG-Senat die Weiterleitung der E-Mail als jedenfalls fahrlässig i.S.d. § 276 Abs. 2 BGB ein und lässt die Frage offen, ob es sich bei Art. 82 Abs. 1 DSGVO um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt. Ferner wird ein immaterieller Schaden auf Seiten des Klägers bejaht: Dieser liege zweifelsfrei vor, wenn ein den Betroffenen belastender rechtswidriger Kontrollverlust seiner personenbezogenen Daten eingetreten sei und sich zum Beispiel bereits in einer missbräuchlichen Verwendung der Daten realisiert habe. Das Gericht sprach dem Kläger damit das oben genannte Schmerzensgeld zu, welches einer zu berücksichtigenden Abschreckungswirkung Genüge tue.

Das Urteil des OLG Stuttgart entspricht der Rechtslage, wenn auch die Höhe des Ersatzbetrags hinter der berechneten Klägervorstellung zurückbleibt. Die Begründung des OLG, es könne dem Klägerantrag der Höhe nach nicht voll entsprechen, zumal andere Gerichte auch zurückhaltend seien, überzeugt nicht. Richtig ist aber, bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts und der informationellen Selbstbestimmung die Schadensersatzpflicht anzuerkennen, weshalb das Landgericht Stuttgart aufgehoben wurde.

Auf Instruktion des Apothekers, der von der Kanzlei Jordan & Wagner RA GmbH vertreten wurde, wird diese aktuelle Rechtsprechung veröffentlicht. Dies auch, um Geschädigte zu ermutigen, sich Datenschutzverstöße nicht bagatellisieren zu lassen.

Mitgeteilt von: Dr. Thomas A. Degen

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