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Das digitale Kaufrecht 2022 mit B2C- und B2B-Änderungen

Unternehmer[1] sehen sich seit dem 1.1.2022 mit zeitgleichem Inkrafttreten der Warenkauf[2]- und Digitale Inhalte[3]-Richtlinie sowie entsprechendem deutschen Umsetzungsgesetz[4] einer Ausweitung der Verbraucherrechte ausgesetzt.[5] Ergeben sich in der Praxis für Unternehmer wichtige Änderungen? Müssen Vertragstexte, insbesondere AGB, angepasst werden? Ganz überwiegend wird man dies bejahen müssen.

Das allgemeine Kaufrecht justiert der Gesetzgeber mit neuen Formulierungen nach. Diese Neuerungen - z.T. durchaus erhebliche Rechtsänderungen - werden sich auf der Rechtsanwenderebene vom Unternehmer wiederum durch Nachjustierungen umsetzen lassen. Ganz anders sieht das für den reinen Verbrauchsgüterkauf aus.[6] Hier hat der Gesetzgeber neue Strukturen entwickelt. Der nachfolgende Überblick soll sich mit ausgewählten Änderungen[7] aus Sicht des Unternehmers befassen, wobei zunächst B2C- und sodann B2B-Konstellationen beleuchtet werden.

A. Der Kunde ist Kaiser – Ausweitung der Verbraucherrechte

Zukünftig wird der Unternehmer als Verkäufer bei Abweichungen der Kaufsache an die objektiven Anforderungen an eine Ware dem Käufer vor Abgabe dessen Vertragserklärung diese „eigens“ zu Kenntnis bringen und diese ausdrücklich und gesondert vereinbaren müssen, § 476 I 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB n.F. Der neue Sachmangelbegriff erfordert nun ausweislich des Gesetzeswortlauts das kumulative Vorliegen von objektiven und subjektiven Elementen. Hierdurch wird eine konkludente wie auch in AGB einbezogene Vertragsbedingung ausgeschlossen.[8] Produktbeschreibungen werden hierfür zukünftig wohl nicht mehr genügen.[9] Da auch aus dem Gesetzeswortlaut nicht klar hervorgeht, welcher Form die Erklärung bedarf, sei hier dem Unternehmer angeraten, diese in Textform abzugeben und gegebenenfalls die AGB entsprechend zu ändern.

Auch sei nachdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Rückabwicklung nach Rücktritt gemäß § 475 VI 2 BGB n.F. der Verbraucher nach Nachweis der Rücksendung den Kaufpreis dergestalt zurückfordern kann, als das diesbezügliche Zurückbehaltungsrecht des Verkäufers damit entfällt. Der Nachweis eines postalischen Einlieferungsbelegs soll ausreichen.[10] AGB, die einen Prüfungsschritt der Ware durch den Unternehmer vor Rückzahlung vorsehen, dürften dem wohl nicht standhalten und sollten geändert werden. § 475 III 2 BGB wurde mit der Maßgabe geändert, dass nun auch die Mangelkenntnis wie auch grob fahrlässige Mangelunkenntnis des Käufers mangels Anwendbarkeit des § 442 BGB unschädlich ist. Zu fragen bleibt, inwieweit ein insofern „bösgläubiger“ Käufer schützenswert ist.

Zuletzt wurde die Beweislastumkehr des § 477 BGB auf ein Jahr ausgedehnt, wonach bei Auftreten eines Mangels innerhalb eines Jahres nach Gefahrübergang vermutet wird, das dieser schon vor eben jenem vorlag.

Abschließend wird auf die wichtige, neue Aktualisierungspflicht des Unternehmers sowohl hinsichtlich digitaler Produkte als auch bei Verträgen über Waren mit digitalen Elementen nach § 327f BGB verwiesen, der bewusst weit gefasst wurde, weshalb darunter sowohl Updates als auch Upgrades fallen.[11] Angemerkt sei, dass dies sich v.a. auf Sicherheitsaspekte beziehen soll.

B. B2B: Offene Fragen in der Lieferkette

Rekurrierend auf obig angeführte Aktualisierungspflicht in Bezug auf digitale Produkte bzw. Waren mit digitalen Elementen bleibt die Frage offen, wie es sich praktisch auswirkt, dass diese nur die (gesetzliche) Pflicht des Verkäufers im B2C-Verhältnis ist. In der Branchenrealität wird jedoch zumeist der Verkäufer im Gegensatz zum Hersteller nicht - meistens wohl sogar von letzterem gewollt - zur Aktualisierung befähigt sein.

Damit der Verkäufer nicht von vornherein leer ausgeht, wurde der Aufwendungsersatzanspruch im Rahmen des Lieferantenregresses des Verkäufers auf die Verletzung der Aktualisierungspflicht erstreckt.[12] Weiterhin ist aber nichts über die Bereitstellung an sich gesagt. Dies wird zukünftig Sache der Vertragsgestaltung im B2B-Verhältnis sein, sei es durch Preisverschiebungen oder durch ergänzende Bereitstellungsverträge.

Überdies entfiel die zeitliche Deckelung der Verjährung von Regressansprüchen ersatzlos (Ablaufhemmung). Begründet wird dies beispielsweise damit, dass der in der Dauer variablen Aktualisierungspflicht Rechnung getragen werden solle.[13]

Jedenfalls seien auch im B2B-Verhältnis nach allem AGB-Änderungen angeregt - auch hinsichtlich des zu A. erwähnten, neuen Sachmangelbegriffs bei Verträgen gänzlich fernab des Verbrauchers.

C. Praxisempfehlung

Wir empfehlen Unternehmern, sich mit den Rechtsänderungen unbedingt auseinanderzusetzen und ihre Vertragstexte und AGB und die etablierten innerbetrieblichen Geschäftsprozesse an die neue Rechtslage anzupassen. Dabei wird insbesondere ein Fokus auf Update-, Upgrate-Pfichten, aber auch auf negative Beschaffenheitsvereinbarung zu richten sein. Eine nachhaltige und an die aktuelle Gesetzeslage angepasste Vertragsgestaltung vermeidet Streit und vermittelt Rechtssicherheit.

 

Autor:

Sebastian Teufel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Jordan & Wagner Rechsanwaltsgesellschaft mbH, Stuttgart

Ansprechpartner:

Peter Wagner, Rechtsanwalt und Mediator

Dr. Thomas A. Degen,  Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht (IT-Recht), Zertifizierter Datenschutzbeauftragter TÜV Süd (DSB-TÜV), Lehrbeauftragter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart (DHBW)

Mathis Lang, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht (IT-Recht), Master of Laws (LL.M.) Informationsrecht

Tel.:     0711 2554 0460

E-Mail: info@jordan-ra.com

 

[1] Aus Gründen besserer Lesbarkeit wird  das generische Maskulinum gewählt. Dies soll keine normative Festlegung insinuieren.

[2] Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.2019 über vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG  sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG, ABl. 2019, L136/28.

[3] Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.2019 über bestimmte vertragliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, ABl. 2019, L 136/1.

[4] RegE Warenkauf: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen  und anderer Aspekte des Kaufvertrages.

[5] Dies gilt für ab dem 1.1.2022 geschlossene und auch ab diesem Zeitpunkt lediglich zu erfüllende Verträge.

[6] Vgl. Wilke, Das neue Kaufrecht nach Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie, VuR 2021, 283 (285).

[7] So wird auf eine umfassende Darstellung rein akademischer Natur verzichtet.

[8] Bt-Drs. 19/27424, S. 45.

[9] Vgl. Wilke, Das neue Kaufrecht nach Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie, VuR 2021, 283 (285)

[10] Bt-Drs. 19/27424, S. 29; vgl. auch Kirchhefer-Lauber, Digitales Kaufrecht 2022, JuS 2021 918 (921).

[11] Vgl. Grüneberg, Digitales Kaufrecht: Was ändert sich im nächsten Jahr?, beck-aktuell 3/21, 15 (16).

[12] Vgl. Wilke, Das neue Kaufrecht nach Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie, VuR 2021, 283 (289)

[13] Vgl. Wilke, a.a.O., VuR 2021, 283 (289)

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