News-Archiv

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Juli 2024

Die neuen Beauftragten nach dem LkSG - Pflicht und Chance -

 

Mit diesem Beitrag wollen wir Sie bekannt machen mit zwei neuen Funktionsträgern, dem „Menschenrechtsbeauftragten“ und dem „Beschwerdebeauftragten“:

Seit dem 01.01.2024 sind im Inland ansässige Unternehmen bereits ab einer Schwelle von „nur“ 1.000 Arbeitnehmern (inkl. entsandte und Leiharbeitnehmer, letztere ab 6 Monate) verpflichtet zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG vom 01.01.2023). In der Sache geht es um ein angemessenes Risikomanagement mit menschenrechtlichen und umweltbezogenen Präventions- und Abhilfemaßnahmen.

Die Implementierung dieses Risikomanagements ist gesetzlich detailliert geregelt. Unter anderem müssen Personen beauftragt werden

+ mit der Überwachung der Wirksamkeit und

+ mit dem Betrieb eines angemessenen Beschwerdeverfahrens.

Da diese neue Gesetzeslage für jeden Wirtschaftsteilnehmer relevant werden kann, ob als Adressat des Gesetzes mit Umsetzungspflicht oder als Geschäftspartner im Rahmen einer betriebliche Risikoanalyse, möchten wir Ihnen mit den folgenden Erläuterungen einen Einstieg in diese komplexe Thematik anbieten:

A. Der „Menschenrechtsbeauftagte“

Der erste Funktionsträger ist für die Wirksamkeit der Selbstkontrolle zuständig:

Nach § 4 Abs. 3 LkSG sind eine oder mehrere Personen zu bestimmen, die das Risikomanagement überwachen. Dies wird in aller Regel durch die Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten umgesetzt gemäß der gesetzgeberischen Intention, auch wenn dies nicht zwingend vorgeschrieben ist. Konkret muss es sich um eine / mehrere „Person(en) innerhalb des Unternehmens“ handeln, also um Mitarbeiter oder ähnlich vertraglich verbundene Personen. Bei der konkreten Auswahl wird eine sorgfältige Abwägung erforderlich, einerseits was das benötigte Know-How anbetrifft, andererseits aber auch was die funktionale Abgrenzung anbetrifft zwischen generellen Verantwortungsbereichen und der für diese Position primären Kontrollpflicht.

Formal kann die Beteiligung des Betriebsrats bei der Bestellung erforderlich werden. Ohne entsprechende Zuständigkeitsregelung werden Bußgelder riskiert, da dies Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 LkSG wäre.

B. Der „Beschwerdebeauftragte“

Der zweite Funktionsträger ist quasi der Garant der Selbstkontrolle:

Nach § 8 LkSG sind eine oder mehrere Personen zu bestimmen für die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens für Hinweise auf menschenrechtsbezogene oder umweltbezogene Risiken oder Pflichtverletzungen. In der Praxis spricht man von dem/ den „Beschwerdebeauftragten“. Dieser muss unparteiisch und weisungsunabhängig agieren, ist zwingend zur Verschwiegenheit verpflichtet und hat entsprechende Hinweise nach einer eigens aufzustellenden Verfahrensordnung zu bearbeiten.

Bei der Besetzung ist hier auch der Rückgriff auf externe Fachleute zulässig. Was hier die Intention des Gesetzgebers ist, liegt auf der Hand: Mit der Beauftragung von Externen macht der Unternehmer plausibel, dass er einen geeigneten Beschwerdeweg eingerichtet hat (unparteiisch, vertraulich etc.).

Formal kann auch hier die Beteiligung des Betriebsrats erforderlich werden. Ohne entsprechende Zuständigkeitsregelung werden Bußgelder auch hier riskiert, da dies Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 8 LkSG wäre.

C. Hinweise zur Umsetzung

Je nach Größe eines Unternehmens oder Konzerns stellen sich diverse Detailfragen, die sowohl bei der Umsetzung als auch für die Betroffene wie z.B. Hinweisgeber relevant werden können.

Beispielsweise sollte beachtet werden, dass der Wirksamkeit des Risikomanagements oberste Priorität zukommt, quasi eine Rechtslage wie nach dem bekannten Prinzip „privacy by design“ im Datenschutzrecht.

Zuständigkeits- und Funktionsabgrenzungen sind hier ebenso wichtig wie Steuerungs- und Effizienzaspekte. Ganz praktisch handelt es sich um Fragen wie etwa der Eignung einer konzernweiten Implementierung, der Differenzierung von Entscheidungskompetenzen, der Vermeidung von Interessen-/ Verantwortungs- oder sonstigen funktionalen oder persönlichen Zielkonflikten und ähnlichem oder auch einfach der Vertragsgestaltung, ob arbeitsrechtlich oder bei der Vergabe.

Auch ob man beim Aufbau eines wirksamen Risikomanagements von der Möglichkeit externer Beschwerdebeauftragte Gebrauch macht, kann einen Unterschied machen. Aus anderen Compliance-Bereichen ist bekannt, dass Mitarbeiter externen Beauftragte eher als vertrauenswürdig wahrnehmen, was die Vertraulichkeit ihrer Hinweise anbetrifft. Auch so kann also gefördert werden, dass durch Hinweise Missstände bekannt werden und beseitigt werden können.

Auch die mögliche Haftung des Funktionsträgers/ Beauftragten und etwaige versicherungstechnische Maßnahmen sollten nicht übersehen werden.

D. Chancen

Eine ergebnisorientierte Befassung mit den neuen Sorgfaltspflichten kann sich allemal auszahlen, auch wirtschaftlich:

Die Chancen eines wirksamen Compliance Management Tools sind etwa aus dem Bereich des Hinweisgeberschutzes schon bekannt: Was für Kunden eine zunehmend erforderliche Voraussetzung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit ist, ist auch für das Unternehmen selbst eine Möglichkeit, effizienter zu agieren, Missständen auf die Spur zu kommen und im „Fall der Fälle“ den Schaden zu begrenzen.

Dass jetzt menschenrechtliche und umweltbezogene Präventions- und Abhilfemaßnahmen Pflicht sind, ist sicherlich im Hinblick auf die Überregulierung und ihre Kosten fragwürdig, der Sache nach aber im internationalen rechtlichen Kontext und Wirtschaftsverkehr derzeit unausweichlich. Neben den (gesetzgeberisch erhofften) Effekten für Arbeitsverhältnisse und die Umwelt kann aber auch der unternehmerische Erfolg selbst gefördert werden:

Etwa der positive Einfluss identifikationsfördernder Unternehmenswerte und -kultur bei der Belegschaft ist mittlerweile unbestritten und mit messbaren Ergebnissen belegt. Gerade hier kann das neue Risikomanagement bei richtiger Kommunikation auch bereits intern einen heute nicht unwesentlichen Beitrag leisten.

Sie können gern auf uns zukommen bei Fragen zu diesen Themen. Die Unterstützung in den verschiedenen Compliance- Bereichen und auch bei dem Umgang mit diesen neuen Funktionen gehört zu unseren Kernkompetenzen.

Ihre Ansprechpartner:

Peter Wagner

Dr. Thomas A. Degen

Dr. Hanns-Georg Pipping

Tilo Schindele

Marcia Carla Iosini LL.M.

Dr. Arnd-Christian Kulow

Mathias Lang LL.M.

Prof. Dr. Laird H. McNeil

 

 

 

Fehlende Verpflichtung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bei gesetzlich privilegierter Fallgestaltung – Wasserbetten-Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm (Beschluss v. 06.02.2024 – 4 W 22/23) hat entschieden, dass ein Unterlassungsschuldner, der regelmäßig weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt, bei einem Verstoß gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten nach § 13 IV UWG auch dann keine Veranlassung zur Verfahrenseinleitung gibt, wenn er den Verstoß auf die Abmahnung des Mitbewerbers hin abstellt und eine nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt.

Zum Sachverhalt:

Wegen eines Verstoßes gegen § 4 Absatz I 1 PAngV bei einem Online-Shop hat ein Mitbewerber den Betreiber abgemahnt und auf Unterlassung in Anspruch genommen. Letzterer stellte den Verstoß ab und gab eine Unterlassungserklärung ab, die jedoch nicht strafbewehrt war. Der Mitbewerber stellte beim LG Bochum einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, den dieses ohne Anhörung des Antragsgegners stattgab. Es untersagte dem Antragsgegner unter Androhung von Ordnungsmitteln, im geschäftlichen Verkehr mit Zubehör für Wasserbetten beim Angebot und/oder der Bewerbung von Waren in Fertigpackungen nicht neben dem Gesamtpreis auch den Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar anzugeben.

Das Gericht hat dem Gegner auch die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dieser erklärte nach Zustellung der einstweiligen Verfügung, diese als endgültige Regelung anzuerkennen mit Ausnahme der Kostenregelung. Insofern legte er hinsichtlich des Kostenausspruchs beim LG einen beschränkten Widerspruch ein. Unter Verweis darauf, dass eine erstmalige Abmahnung aufgrund eines Verstoßes gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 13 IV Nr. UWG) gegenständlich sei, für den gemäß § 13a II UWG die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ausgeschlossen sei, hat er vorgetragen, die nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung habe die durch den Verstoß gegen § 4 I 1 PAngV begründete Wiederholungsgefahr entfallen lassen. Mit Blick auf § 14 II 3 Nr. UWG hat er zudem die örtliche Zuständigkeit gerügt und eine mangelnde Dringlichkeit. Dagegen hat der Antragsteller die Auffassung vertreten, § 13 IV UWG sei nicht anzuwenden, weil der Verstoß nur nach Irreführungstatbeständen § 5a II, IV UWG) und nicht § 3a UWG zu beurteilen sei. Das LG Bochum hat mit dem Kosten-Urteil vom 14.03.2023 (I-18 O 25/22) die einstweilige Verfügung im Kostenausspruch aufgehoben und die Kosten dem Antragsteller auferlegt. Das OLG Hamm hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen das Kosten-Urteil des LG Bochum zurückgewiesen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsteller auferlegt.

Folgen für die Praxis:

Sollten Empfänger einer Abmahnung auf eine solche außergerichtlich reagieren? Die typische Juristen-Antwort lautet: Es kommt darauf an. Das OLG Hamm macht deutlich, dass es sachdienlich sein kann, zeitnah außergerichtlich zu reagieren.

Dass Juristen mit Entscheidungen des OLG Hamm differenziert umgehen sollten, wird diesen bereits vielfach im Referendariat vermittelt.

Im Ergebnis wird zutreffend entschieden, dass der Gegner zur Antragstellung keinen Anlass geboten hat und eine Erledigung des Verfügungsanspruchs durch Anerkenntnis sofort erfolgt ist. Abgestellt wird insofern auf § 93 ZPO.

Die Entscheidung zeigt auf, dass ein Nichtreagieren auf eine berechtigte Abmahnung auch nach dem novellierten Lauterkeitsrecht mit § 13a II UWG nachteilig sein kann, da die Rechtsposition des Unterlassungsschuldners erheblich verschlechtert werden kann. Selbst wenn der Unterlassungsgläubiger unberechtigterweise die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangen sollte, wäre dem Abgemahnten zu empfehlen, Rechtsrat in Anspruch zu nehmen und zumindest eine einfache Unterlassungserklärung abzugeben. Dann kann eine Berufung auf § 93 ZPO in einem nachfolgenden Gerichtsprozess gelingen.

Die Entscheidung wird besprochen von Degen in GRUR-Prax 2024, 355.

Ihre Ansprechpartner:

Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Degen

Rechtsanwalt Tilo Schindele

Rechtsanwalt Matthias Lang LL.M.